Montag, 30. Juli 2007

Quastenflosser

LEBENDES FOSSIL

Indonesier brachte Dino-Fisch an Land

Schon seit 360 Millionen Jahren schwimmt diese Art im Meer: Vor der Insel Sulawesi ging ein Quastenflosser ins Netz, den Forscher nun untersuchen. Ursprünglich hielt man die Urfische für längst ausgestorben - zusammen mit ihren Zeitgenossen, den Dinosauriern der Kreidezeit.

Verkaufen oder zurück ins Meer werfen? Der Sensationsfang wäre beinahe nie ins Licht der Öffentlichkeit gelangt. Doch der indonesische Fischer Justinus Lahama überlegte es sich anders und beschenkte so die Wissenschaft mit einem ebenso exotischen wie hässlichen Vertreter der Meeres-Quastenflosser (Coelacanthimorpha).

Der Urzeitfisch geriet Lahama vor der indonesischen Insel Sulawesi Ende Mai ins Netz - lebendig und in direkter Nähe der Küste. Seine Fischleine sei nur 110 Meter lang gewesen, als er am 22. Mai zusammen mit seinem Sohn Delvy vor der Mündung des Malalayang-Flusses gefischt habe, sagte er. Eine halbe Stunde habe er an der Leine ziehen und zerren müssen, bis er endlich das Tier an Bord seines Kanus habe hieven können, einen Brocken von 50 Kilogramm und einer Körperlänge von 1,30 Metern.

"Der Fisch war enorm. Er hatte leuchtende grüne Augen und Beine", sagte Lahama. "Wenn ich ihn bei Nacht gefangen hätte, dann hätte ich mich sicher erschreckt und ihn wieder zurückgeworfen." Dann aber wäre ein lebendes Fossil verloren gegangen. Bei dem Latimeria menadoensis handelt es sich erst um das zweite Exemplar eines Quastenflossers, das in Asien lebendig gefangen wurde. 17 Stunden lang überlebte der Fisch in einem Bassin an der Küste - während dieser Zeit konnten wertvolle Videoaufnahmen von ihm gemacht werden.

"Er wird uns Unglück bringen"

Nach seinem Tod wurde der Fisch eingefroren. Nachdem Interviews mit Lahama in der örtlichen Presse aufgetaucht waren, eilten indonesische, japanische und französische Biologen nach Sulawesi, um den Tiefkühl-Urfisch zu untersuchen und den Fischer zu befragen. Er zeigte den mit Sonar und GPS ausgestatteten Forschern genau, wo er den Fisch gefangen hatte. Gegenwärtig läuft eine Erbgutanalyse.

Dabei hatte Lahama an Land zunächst erwogen, das Prachtexemplar einfach zu verkaufen. "Angesichts seines Gewichts habe ich mir einen guten Preis davon versprochen", sagte er. Dann zeigte er das Tier dem ältesten Fischer der Hafenstadt Manado. "Das ist ein Fisch mit Beinen - er sollte zurück ins Wasser. Er wird uns Unglück bringen", soll dieser gesagt haben. Lahama jedoch war nicht abergläubig.

Dass er den urzeitlichen Fisch in so geringer Wassertiefe unmittelbar vor der Küste fangen konnte, ist an sich schon bemerkenswert. Denn die Tiere leben in bis zu 1000 Metern Tiefe und wagen sich höchstens bis auf etwa 200 Meter Tiefe hinauf - dachte man zumindest bislang.

Dinosaurier der Meere

Die rätselhaften Tiere werden auch als lebende Fossilien bezeichnet, weil Fischkundler ursprünglich davon ausgegangen waren, die letzten Quastenflosser seien zusammen mit den Dinosauriern ausgestorben. Ihre Versteinerungen aus der Kreidezeit waren wohlbekannt, ein wirkliches Exemplar hatte aber noch kein Gelehrter zu Gesicht bekommen - bis zum Jahr 1938, als die Südafrikanerin Marjorie Latimer einen toten Quastenflosser in der Nähe der Mündung des Chalumna-Flusses entdeckte. Er ging als Latimeria chalumnae oder umgangssprachlich als Komoren-Quastenflosser in die Biologiegeschichte ein.

Allerdings herrschte lange die Ansicht vor, die Nachfahren der Dino-Zeitgenossen hätten auch nur um die Komoren-Inseln im Indischen Ozean in kleinen Restpopulationen überlebt. Als aber Ende der neunziger Jahre auf indonesischen Fischmärkten - also 10.000 Kilometer von den Komoren entfernt - tote Tiere derselben Gattung auftauchten, änderte sich das. Nach der Stadt Manado wurde die zweite Art Latimeria menadoensis genannt. Dort wird auch der Fang von Justinus Lahama ausgestellt werden, wenn die wissenschaftliche Untersuchung abgeschlossen und das Tier entsprechend präpariert ist.

Forscher interessieren sich für den flapsig auch Dino-Fisch genannten Exoten vor allem, weil er im Lauf seiner mehr als 360 Millionen Jahre währenden Existenz offenbar nur wenige Änderungen erfahren hat - und weil seine Art bis heute überleben konnte.

stx/AFP

Quelle: Spiegel.de + Fotostrecke:

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