Freitag, 30. November 2007

Drill vs. Schikane

Hatte gestern ein sehr denkwürdiges Erlebnis nach TDP (Technisches Zeichnen). Eine Komillitonin verläßt in Tränen aufgelöst den Kurs, nachdem ihr eine Zeichnung aberkannt worden ist. Sie sieht ihre zeichnerischen Fehler ein, ist sogar bereit sie zu korrigieren, aber wenn eine Zeichnung aberkannt wird, hat man keine Chance, sie mehr zu korrigieren.

Die Bewertung folgt dem Muster: a) anerkannt b) Zeichnung noch nicht anerkannt => Korrektur in manchen Teilen c) Zeichung nicht anerkannt: Zeichnung komplett erneuern d) Zeichnung sofort aberkannt, bei einem weiteren Fehlversuch ist der ganze Kurs nicht bestanden !

Das hauptsächliche Problem liegt in zwei Punkten: a) der Aufwand ist immens, steht u.U. zu keinem Verhältnis zur didaktischen Effizienz und b) der Unsicherheitsfaktor, dass nicht nach objektiven Maßstäben beurteilt wird, ist groß... und Punkt b) ist der starken Vermutung geschuldet, dass ein gewisser Assistent seinen eigenen Unmut an anderen Studenten auslässt...

Danach mit m.Lernpartner über eine Stunde über Lösungswege und Strategien diskutiert. Im Turm noch mal eine kontroverse Diskussion mit meinen Etagenkomillitonen gehabt, zumal selber einer als Assistent gearbeitet hat.

Besonders diese Auszeichung "Exzellenz Universität" ist für viele ein Hohn - wo bleibt der Synergieeffekt, dass 1a Forschung betrieben wird, aber die Lehre in sehr vielen Teilen schwach bis sehr beschämend ist ?! Und diejenigen, die Glück mit ihren Dozenten und Profs haben, sollten sich bloß nichts darauf einbilden - betrachte ich die unzähligen Aussagen, die sicherlich auch subjektiv und vom eigenen Lernverhalten und Lernpensum geprägt sind, so ergibt sich kein gutes Bild über die Lehre auf der RWTH-Aachen. Um so mehr freue ich mich über jeden Lehrenden, der mit Ruhe und Weitsichtigkeit seinen Stoff vermittelt - und Weitsichtigkeit ist sicherlich auch eine menschliche Komponente, die man selber antrainieren und durch Erfahrung gewinnen kann.

Leider kommen auch wieder ungute Erinnerungen von meinem Medizinstudium hoch, wo ebenfalls ein Mädel in Tränen aufgelöst aus einem Kolloqium gekommen ist: mündliche Nachholprüfung in Anatomie-Situs, ich habe bestanden (+ Ostelogikum ;-) ! Aber die Komillitonin tat mir richtig leid, zumal sie die Strukturen sehr wahrscheinlich sogar viel besser lehrbuchmäßig wiedergeben hat, als ich, und auch die beiden anderen männlichen durchgefallenen Prüflinge, die die Fossa poplitea besser kannten als ich.

Es war ein sehr bewegender Nachmittag, wo ständig die Komillitonen zitternd oder ganz cool in den Sezierraum gegangen sind, und wieder ganz aufgelöst oder ebenfalls wieder ganz lässig herausgekommen sind. Natürlich wurden allen Löcher in den Bauch gefragt: was wurde verlangt, auf welche Strukturen wurde besonders viel Wert gelegt, welche Strukturen der Leiche waren besonders schwer zu erkennten und so weiter... und sofort hat der übriggebliebene Rest wieder mit seinen Anatomiebüchern, Schautafeln, Lernskripten und Mitschriften etc. sofort abgeglichen... das können Medizinstudenten von allen am besten, da kann keine andere Diszplin ihnen das Wasser reichen, außer vielleicht(!) noch Biologie und Jura.

Als letzter Kandidat an diesem denkwürdigen Nachmittag bis Frühabend, habe ich es mir nicht nehmen lassen, mit dem Prof. über diese Begebenheiten nach bestanderer Prüfung mich zu unterhalten. Nie werde ich dieses Gespräch vergessen, es war ein klares Zeichen für mich, nach welchen Prinzipien in der Lehre in der Medizin vorgegangen wird. Erstaunlicherweise war ich den Augen des Profs ein guter Kanditat, Arzt zu werden, aber leider konnte auch er mir nicht finanziell unter die Arme greifen, damit ich in der vermaledeiten Zwischenprüfung (früher Physikum) nicht arbeiten hätte gehen müssen.

Sinngemäß wurde mir folgendes mitgeteilt, nachdem wir, der Assistent, Prof. und ich die Leiche zugedeckt haben: "Junger Mann, mich interessiert nicht, wer was und wieviel gelernt wurde... von Interesse ist nur, ob zum entscheidenden Zeitpunkt das Gelernte auch wieder reproduziert werden kann... Sie können bei einem Patienten auch nicht sagen, Augenblick mal, ich muss kurz mal nachschlagen". Stutzig hat mich aber gemacht, dass vorher bei einer Abfrage in der Oberschenkelmuskulatur (war es ein ductus oder canalis?) er plötzlich sagte: "Sie sind der erste an diesem Nachmittag, der diese Struktur richtig benennt" - und das kann nicht hinhauen, weil die die beiden zuvor durchgefallenen männlichen Kandidaten gerade diese Struktur in- und auswendig wussten.

Kombiniere ich also meine Prüfungsleistung, die sicherlich schlechter war als die der anderen (außer für alle Sprunggelenke, die konnte ich bis auf das das obere Sprunggelenk im Fuß perfekt) + Tonfall des Profs + Auftreten mir gegenüber, so ist mir eins seitdem ganz klar (so subjektiv klar und rein wie ein kalter Gebirgsbach) und deutlich geworden: "Gerade in der Medizin wird nicht nur auf das Wissen geachtet, sondern auch wie der Kandidat auftritt, in anderen Worten: kann ich diesen Menschen, so wie er sich gibt und wie er sich mir präsentiert auf Patienten loslassen, kann ich den Prüfling später mal als wissenschaftlichen Kollegen sehen und akzeptieren?" Natürlich wird jeder Prüfer der Medizin diese Betrachtungsweise öffentlich verneinen, aber schaut man tief in die Psyche und Denkweise und liest man zwischen den Zeilen, so liegt diese nie zu beweisende Vermutung sehr nahe an der Denkweise der Mediziner, die ihre eigene Prüfung lange hinter sich haben und jetzt selber prüfen und abfragen !

Addiere ich zu diesen Erlebnissen noch die Bemerkung meines Elektronik-Ausbilders über die soziale Verantwortung von Bildung und Lehre, so ergibt sich ein höchst kontroverses Bild über die Anforderung und Forderung einer Exzellenz-Uni und was sie im Gegenzug anbietet.

Es gibt Privat-Unis, die haben dieses Problem vollends erkannt, und sicherlich auch die FH-Aachen, dass nur ein begleitendes Studium seitens der Lehrenden ein Maximum an Erfolg garantiert... alles andere ist nur Scheibenwischerei, und das oft gehörte Zitat von Menschen, die sich schon höheren Positionen befinden, dass Studierende zu wenig lernen, wird somit null und nichtig !

Fazit: wer Lehre übernimmt, sei es als Assistent, als Dozent oder Professor hat Macht und damit Verantwortung - wer nicht damit umgehen kann, zerstört Schicksale - und ich bin mir sicher, dass dieses als Bumerang zurückkommen kann, wenn auch nicht unmittelbar !

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