Freitag, 19. September 2008

Ein Gedankenfehler vieler Investoren

von Daniel Wilhelmi

Hallelujah. Was für eine Woche. Diese Woche werden wir wohl unser Börsenleben nicht vergessen. Die dominierende Frage ist natürlich: Wie wird es weitergehen? Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein: Ich weiß nicht, wie es kurzfristig weiter geht. Das weiß niemand. Lassen Sie sich da nichts erzählen.

Denn der Stand der Nachrichten, auf dem wir aktuell die Märkte einschätzen, kann in Zeiten in 10 Minuten schon wider obsolet sein. So verrückt sind die Märkte derzeit. Auch bei den Banken ist man völlig ratlos. Ein perfektes Beispiel ist der US-Versicherungsriese AIG: An der Wall Street ist durchgesickert, dass das Management bis Anfang dieser Woche, die Risiken aus dem Kreditgeschäft völlig falsch bewertet hat, da man wohl die Derivatkonstrukte in ihrer Tragweite gar nicht richtig verstanden hatte.

Letzte Woche saß ich mit einem von mir sehr geschätzten Kollegen zusammen und wir diskutierten, wie sich die Aktienmärkte entwickeln könnten. Und bei seiner recht bullischen Argumentation fiel mir ein Verständnisfehler auf, den ich immer wieder lese und höre. Seine Argumentation: "Daniel, die Märkte sind billig. Schau Dir die Bewertung in Deutschland an. Der DAX ist günstig."

Viele Unternehmen werden ihre Gewinne nach unten anpassen müssen

Die Argumentation stimmt, wenn (und hier kommt das „wenn", das viele Leute einfach nicht verstehen) die Gewinnprognosen für 2008 und 2009 so eintreffen, wie bisher erwartet. Gemessen daran, sind viele Aktien von Deutschland bis Hongkong nun in der Tat attraktiv bis günstig bewertet.

Aber: Diese Bewertungen werden eben nicht so bleiben. Denn es ist zu erwarten, dass die Prognosen gesenkt werden müssen - und damit werden sich dann auch wieder die jetzt so billig erscheinenden Bewertungen revidieren.

Dieser Punkt wird von vielen Marktteilnehmern häufig außer Acht gelassen. Bei den Finanzwerten können wir KGV-Bewertungen und Dividendenrenditen derzeit sowieso getrost vergessen. Dahinter werden vor allem Unternehmen, deren Geschäftsmodelle stark auf Kreditfinanzierungen aufgebaut sind bzw. die hohe Anteile an Krediten in der Bilanz haben, leiden.

Das ist übrigens einer der Gründe, warum die Explorer so stark gefallen sind.
Aber auch viele so genannten „Old Economy"-Werte auch Sektoren, die mit dem Finanzsektor erst mal nichts zu tun haben, werden ihre Gewinnprognosen nicht halten können. Denn hier wird sich ein neues vorsichtiges Verhalten der Konsumenten negativ auf die Geschäfte auswirken.

Die Entlastung bei den Konsumenten, die wir derzeit durch den rückläufigen Ölpreis und die sinkenden Agrarpreise sehen, wird durch die neu geweckten Verunsicherungen und Zukunftsängste kompensiert werden. Wie stark die Revisionen nach unten sein werden, ist derzeit völlig offen. Aber es wird kommen. Und damit wird sich auch die Börsenbewertung erhöhen, obwohl der DAX jetzt 2.000 Punkte tiefer steht und auf den 1. Blick günstig erscheint.

Tappen Sie also nicht in die „Bewertungsfalle" - vor allem nicht bei Finanztiteln. Nicht so lange jedes Quartal Milliarden über Milliarden abgeschrieben werden müssen. Einzige Ausnahme in diesem Sektor sind vereinzelte Banken aus den Emerging Markets, die mit den Kreditspekulationen nichts oder nur sehr wenig zu tun haben.

Have a successful day

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