Dienstag, 28. Oktober 2008

Was den Aktienmarkt wirklich drückt

von Daniel Wilhelmi

Bevor ich in den kommenden Ausgaben weiter auf Ihre Antworten und Kommentare zum Irak eingehe, möchte ich in diesem Profit Radar erst - mal wieder - mit einem Missverständnis aufräumen, was derzeit durch die allgemeine Presse geistert. Es ist Formulierungen wie „Derzeit preist der Markt eine Rezession ein." oder „Rezessionsängste ziehen die Börsen nach unten.". Deshalb werden auch immer wieder KGV-Bewertungen und Gewinnschätzungen zitiert.

Alles kompletter Unsinn. Das muss man mal so klar sagen. Das zeigt mal wieder, wie viele Leute nicht verstehen, was derzeit am Aktienmarkt wirklich passiert. Derzeit dreht sich am Aktienmarkt alles nur um zwei alles dominierende Sachen: „Deleveraging" - was eine schnittige Umschreibung für nichts anders als „Abbau von kreditfinanzierten Positionen" ist - und Risikoanpassungen in den Portfolios der Banken und Versicherungen.

Hier will ich auf das „Deleveraging" eingehen, denn das ist der wirkliche Grund für die erdrutschartigen Kurseinbrüche von 3% und mehr an einzelnen Handelstagen. Also: Wie Sie wissen, haben vor allem Hedge Fonds (aber nicht nur) lange Zeit mit Kredit im Aktienmarkt und im Rohstoffsektor spekuliert.

Wenn von einem Leverage Faktor 5 gesprochen wird, dann bedeutet dies, dass der Hedge Fonds für 1 USD Eigenkapital für 5 USD Kredit aufgenommen hat, um dann mit der Gesamtsumme in einem Marktsegment zu spekulieren. Bei den meisten Kreditspekulanten lag das Leverage zwischen 5-10, aber es gab auch einige Hedge Fonds, die ein Leverage von 30 (!) hatten.

Der Kreislauf der Abwärtsspirale

Mit der Kreditkrise müssen diese Relationen nun nach unten reduziert werden. Und jetzt wird es interessant. Wenn ein Hedge Fonds ein Leverage Faktor 10 hat, dann bedeutet dies bei 10 Mio. USD Eigenkapital (das ja in Aktien oder Rohstoffen investiert ist), dass er dafür für 100 Mio. USD Kredit eingesetzt hat.

Nun muss der Hedge Fonds also „deleveragen" - sagen wir von Faktor 10 auf Faktor 5. Bei dem Eigenkapital von 10 Mio. USD bedeutet dies einen Kreditrahmen von 50 Mio. USD. Also muss der Fondsmanager Positionen für 50 Mio. USD verkaufen - und zwar egal, ob er von den Unternehmen eigentlich überzeugt ist oder nicht.

Und jetzt aufgepasst. Dies hier ist der Punkt, den viele Marktteilnehmer nicht verstehen und deshalb die Marktbewegungen nicht verstehen: Nun „devleveragt" ja nicht nur 1 Adresse, sondern zahlreiche Hedge Fonds und auch reguläre Fonds und Banken bzw. Versicherungen müssen verkaufen, da sie Mittelabflüsse bedienen müssen.

Diese geballte Verkaufsmacht führt dazu, dass die Börsen fallen. Damit wird aber auch das investierte Eigenkapital der Kreditspekulanten weniger. Wenn aber das Eigenkapital weniger wird, dann verschiebt sich der Leverage Faktor wieder nach oben - und schon muss der Hedge Fons weiter verkaufen, um auf den Faktor 5 zu kommen.

Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen: Der Hedge Fonds mit 10 Mio. USD investiertem Eigenkapital will also von Faktor 10 auf Faktor 5 „deleveragen". Also verkauft er Positionen im Wert von 50 Mio. USD. Dann hat er noch 50 Mio. USD kreditfinanzierte Positionen in seinen Büchern, was einem Faktor von 5 entspricht.

Wenn aber jetzt der Aktienmarkt, wie es seit Wochen passiert, nur fällt und z.B. um -30% sinkt, dann ist seine Eigenkapital-Position plötzlich nur noch 7 Mio. USD wert - und bei 50 Mio. USD kommt er dann plötzlich doch wieder auf einen Leverage-Wert von 7 anstatt der angepeilten 5.

Also muss er weiter verkaufen und kommt eine Spirale in Gang, die wir derzeit erleben und die der wahre Grund für diese Übertreibungen nach unten ist: Die Kreditspekulanten, allen voran die Hedge Fonds, reduzieren ihre Kreditpositionen. Das drückt den Aktienmarkt nach unten, weshalb die Hedge Fonds dann noch mehr Kreditpositionen abbauen müssen - und schon beginnt der Kreislauf von vorne.

Have a successful day,

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