Montag, 13. April 2009

"Überleben am Manila-Express"



360° - Die GEO-Reportage




Cesar Capena kneift die Augen zusammen. Schweißperlen glänzen auf seiner Stirn. 42 Grad Celsius herrschen in dem engen Führerstand seiner Lok, als er die Geschwindigkeit drosselt. Capena ist vorsichtig, denn schon viermal hat sein Zug auf dieser Strecke einen Menschen erfasst. Zur gleichen Zeit bedient Editha Jayko ihre Kunden.

Sie lebt seit 15 Jahren an den Gleisen der Philippine National Railroad in Manila und verkauft Fisch. Als aus der Ferne das Signal der Lok ertönt, räumt sie in Sekundenschnelle ihre Fische zusammen. Dann rattert der Zug vorbei. Und schon Augenblicke später lassen sich Editha Jayko und die anderen Leute, die hier leben, wieder auf den Schienen nieder. Das Szenario wiederholt sich täglich im Stundenrhythmus.
  • Nur Zentimeter bleiben zwischen dem ratternden Zug und den Hüttenwänden, den Gemüseständen, Wäschereien und dem Stuhl des Friseurs.
  • 70.000 Menschen leben in den südlichen Ausläufern der Megacity Manila unmittelbar an den Schienen der einzigen noch existierenden Eisenbahnlinie.
  • Sie haben das öffentliche Land besetzt. Dem Gesetz nach können sie nicht ohne weiteres verjagt werden, denn sie haben Gewohnheitsrechte.
  • Vor einer Räumung müssten die Behörden ihnen ein Ersatzgelände zuweisen. (müssten = Konjunktiv)
Doch jetzt, kurz vor den Wahlen, sind die Behörden vorsichtig, denn auch die Siedler sind Wähler. Editha Jayko wird ebenfalls zur Wahl gehen. Doch sie glaubt, dass die Bahn auch weiterhin den Rhythmus ihres Lebens vorgeben wird.

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  • ... bin froh, durch das Entsorgerstudium den Begriff "Gewohnheitsrecht" näher kennengelernt zu haben. Dachte immer, das sei ein negativer Begriff. In Wirklichkeit spiegelt er Grundrechte, alltägliche Bedürfnisse und wahre Lebensverhältnisse der Menschen wieder ...
  • Erinnerungen an das Zimmer in der Südstraße, kurz vor dem HBF, direkt an der Brücke => wenn da ein Zug vorbeifuhr, zitterte die Tasse auf dem Tisch
  • das Beste aber ist, durch die Bahn hinter die zum größten Teil traurigen Fassaden der Großstädte schauen zu können, wenn der Zug in die Cities und in ihre Vororte fährt und seine Geschwindigkeit drosseln muss. Leider lassen sich immer weniger Fenster von Zügen öffnen.
  • Besonders eindrucksvoll: Ruhrgebiet, Berlin oder wenn man nach Paris hineinfährt und sich die Vororte in Ruhe anschauen kann. Man sieht ab und zu Fußballplätze, Menschen, die ihre Wäsche auf den Balkons trocknen, selten aber auf ihnen sitzen, einige steinerne Friedhöfe, teilweise gut gemachte Graffitis (nicht nur primitive tags), bei Regenwetter wirkt alles doppelt so trist und melancholisch !
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  • mit Google.earth Schienensysteme kennenlernen ?

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