Sonntag, 27. Dezember 2009

... um 13h bei meinem "Alten" gewesen und mit Patentante zu Mittag gegegessen ... hatten ja zwei Tage zuvor mit ihnen + Schwesterherz, Schwager und Brüderchen traditionell 1. Weihnachtstag verbracht, war sehr schön !

Heute allerdings habe ich einen Streit vom Zaun gerissen, er geht also ganz auf meine Kappe ! Anlass war eine Bemerkungen, nachdem mein "Alter" mir eine Info mitgeteilt hat, die schon etwas älter ist. Auf die Frage hin, warum er mir das nicht schon längst mitgeteilt habe, sagt er: "Du hast mich ja nicht danach gefragt !"

Das erinnert mich unwillkürlich an den Leit.Ing., den ich mal während der Arbeitszeit gefragt habe, warum er mir nicht schon früher den HiWi-Job im TVT-Institut angeboten hat, das wäre für die Finanzierung meines damaligen Medizinstudiums in der Zwischenprüfungsphase besser gewesen. Darauf sagte er auch nur: "Du hast mich ja nicht gefragt !"

Das ist also die Problematik im Allgemeinen:
  • Person A weiß mehr über gewissen Dinge als Person B (=Wissensgradient zum Vorteil des Mehrwissenden).
  • Person A kann freiwillig von sich aus wichtige Informationen preisgeben, ohne das Person B explizit nachfragt. (=hat nichts mit der Verletzung der Schweigepflicht für Pfarrer, Rechtanwälte, Richter etc. zu tun: nicht Beruf und Privatleben miteinander verwechseln !!!)
  • Person A rückt erst dann mit wichtigen Informationen heraus, wenn Person B konkret danach fragt. (=eine Form der Hinhaltetechnik + Verzögerungstaktik, Gründe sind vielfältig)
Im Speziellen aber unterscheiden sich die einzelnen Fälle voneinander.

Als Beispiel: in den Badmintonpausen oder nach dem Training haben wir uns oft unterhalten, und ich habe immer gedacht, der Leit.Ing. wäre ein Sekretär in der Hochschulverwaltung. Dass er aber eine leitende Funktion im Forschungsbereich inne hat, das wurde mir erst klar, nachdem er auf mich zugekommen ist und sich nach der damaligen aktuellen finanziellen und prüfungsmäßigen Lage des Medizinstudium erkundigt hat. Da ich gelernter Elektroniker bin + Studentenstatus hatte, hatte er Verwendung für mich im Institut. Das war also der Beginn einer Zeit, in der ich sehr viel kennenlernen und erfahren durfte, sowohl auf menschlichem als auch auf technischem Gebiet !

Aber wenn er mir das Angebot nicht freiwillig von sich aus gemacht hätte, ich wäre niemals bei den Maschinenbauern bzw. Verfahrenstechnikern gelandet ! Also frage ich mich, warum ausgerechnet in der eigenen Familie der Sohn seinem Vater Fäden aus der Nase ziehen soll, nur um sehr wichtige Informationen zu erhalten ? Nach dem Essen ziehe ich mich an und knalle die Tür von meinem Alten zu und fahre mit dem Bus wieder zurück zu den Türmen. Dort muss ich mir von Brüderchen vorhalten lassen, in gewissen Dingen ein "Kindskopf" geblieben zu sein: "Du kannst doch nicht erwarten, dass wenn ich zehnmal mich mit einer Person treffe und Glück habe, ohne auf Anfrage Informationen zu erhalten, dass du mit deinen zwei Besuchen die gleichen Informationen erhälst !"

Klingt plausibel, aber beide vergessen auch, dass manchmal leider die Zeit kommt, wo man trotz widriger Umstände sich gemeinsam an einem runden Tisch setzen, mit offenen Karten spielen und viele Informationen austauschen muss, um gemeinschaftlich voranzukommen => da sind Sprüche wie "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" + "Du hast mich ja nicht gefragt" absolut kontraproduktiv und deplaziert ! Aber ich erkenne auch, dass sich an dieser Fragestellung die Geister scheiden, und dass es wahrscheinlich auch eine Lebenseinstellung ist, die ich respektieren muss.

Da ich aber endlich mein Ding machen will, muss ich wissen, wie es um den "Segen" aller Familienmitglieder steht. Können sich alle noch einmal an einem runden Tisch setzen und "brainstorming" betreiben ? Ist dies nicht der Fall, nehme ich von allen Abstand. Mein "Alter" meint: "Du kannst doch dein Ding machen, und trotzdem kann man sich doch gelegentlich treffen und den Kontakt aufrecht erhalten "! Das stimmt, doch ich will im Hinterkopf die Motivation behalten, es für eine ganze intakte Familie zu machen, und nicht für eine in Fraktionen zersplitterte ! Alles andere kommt für mich nicht mehr in Frage !

Dies ist mein eigener innerer Konflikt und ein mentales Spannungsfeld, in dem ich mich schon seit geraumer Zeit befinde, zum endgültigen Ausbruch durch den Tod von Om' gekommen !

Darüberhinaus berührt dieser Themenkomplex sogar den Freundes- und Kumpelkreis. Es gab mal vor Urzeiten für eine kurze Zeit vier gute Freunde. Das hatte aber nicht lange Bestand aufgrund von Eitelkeiten, mangelnder Geduld und wachsender Intoleranz. Lange habe ich versucht, immer wieder mal Konsens zu schaffen, doch ohne Erfolg ! Irgendwann muss man sich entscheiden, zu wem man mehr hält und den Kontakt aufrecht erhält !

Doch auch hier kommt unweigerlich für mich der Zeitpunkt, mir die Fragen zu stellen: kann ich den einen Freund besser behandeln als den anderen ? Ist es nicht eine Schande, in Gesprächen und Aktionen den anderen einfach auszublenden, obwohl niemand ermordet oder verstümmelt worden ist, also alles halb so wild ist ?! Und doch scheißen sich sogar Freunde und Kumpels ein und versuchen nicht mal eine gegenseitige Annäherung => nein, sie müssten ja zuviel Stolz und Ehre opfern !

Es ist fast müßig, sich über solche Sachen zu unterhalten, weil es jetzt schon so lange her ist, aber eins bleibt bestehen, egal ob es Freunde oder die Familie betrifft: sie alle denken, ich würde ab und zu als geselliges, fröhlich schnatterndes Bindeglied auftauchen und wie mein "Alter" es formuliert, so "den Kontakt aufrecht erhalten" ! Aber ich hatte unten im Kellerverlies genug Zeit gehabt, mal meine eigene Weltanschauung zu analysieren und habe festgestellt: "Ich bin dessen überdrüssig geworden, mich mit Menschen zu treffen, wo andere ehemals Vertraute in Gesprächen und Aktionen ausgeblendet werden !"

Das Ganze mag ein wenig absurd, kleinkariert oder schwer nachvollziehbar klingen, doch wer einmal zwischen den Stühlen stand und trotz allem immer bestrebt ist, für wichtige Angelegenheiten Konsens zu schaffen, weiß, wie anstrengend, frustrierend und manchmal aussichtslos solche Situationen sein können.

Ich bin selber über mich entsetzt wegen meiner heutigen Unbeherrschheit: diese Bockigkeit meinerseits hat mein friedfertiger und besonnener "Alter" sicherlich nicht verdient !

Aber es hat sich alles bis zu einem Zündpunkt verdichtet, und von daher ist es nur konsequent, dass ich keinen verschone: ich bin nicht geboren, um zu schweigen und erst recht nicht, um Fehlentwicklungen zu akzeptieren, sei es in der Familie oder in einer übergeordneten Gesellschaft und Gemeinschaft ! Lieber überwerfe ich mich mit jedem und mache dafür aus meinem Herzen keine Mördergrube und werde auch nicht zu einem Spießbürger. Lieber bleibe ich mein ganzes Leben alleine (nicht einsam), kann dafür jeden Morgen in den Spiegel schauen, ohne mich vor mir selber zu ekeln !

Lange Rede, kurzer Sinn: manche Menschen verlieren phasenweise alles - Mitmenschen, Besitztum und die Freiheit eines zivilen Lebens. Doch wenn eine Person sich selber verliert aus welchen Gründen auch immer, dann ist sie tot => und in den Taten und Worten eines Untoten entdeckt man kein Feuer, keine Dynamik und auch keine Liebe ! (=Binsenwahrheit, s.a. Tyrannen, Technokraten und Schreibtischtäter)

... wie gesagt, in den Studentetürmen angekommen, erst mal beruhigende Schelte von Brüderchen erhalten: keiner sei gestorben, keinem wurde ein Häarchen gekrümmt, nur an meinen Umgangsformen müsse ich noch ein wenig mehr arbeiten ... und dann kommt Charly in die Küche ... hat noch sechs Monate bis zum Ende seines Studiums ... ich wusste, dass er Maschinenbau studiert, habe aber heute erst erfahren, dass es sich um Medizintechnik handelt ... auf ein paar Fragen hin berichtet er sehr ausführlich:
  • muss noch ein Praktikum machen
  • Deutschprüfungen vor Beginn des Studiums waren sehr teuer
  • Studium war ein ständiger Kampf, da er sich selber versorgen musste + Ausländer haben es immer schwerer als "Einheimische"
... erzählt von Operationen, bei denen er anwesend sein musste, besonders die Schilderung einer Thoraxeröffnung an einem Lebenden war für mich hochintereressant:
  • für die Operateure ist das einfach Routine, erstmaligen Zuschauern aber bereitet das eine Gänsehaut !
  • ein sägendes Instrument schneidet das Sternum auf, ein surrendes Geräusch wie "ssssss" begleitet diese Aktion.
  • mit entsprechendem Besteck (Drehübersetzung) wird der Brustkorb langsam aber stetig gedehnt und auseinandergezogen, so dass das pochende Herz, die Lunge und große Gefäße zu sehen sind.
  • ein künstlicher Blutkreislauf (Kurzschluss) wird mit der Herz-Lungen-Maschine (Oxygenierung) hergestellt
  • die OP beginnt
weiter => es wurde in seinem Studium mal eine Aufgabe gestellt: "Was müssen Sie alles beachten, machen und in die Wege leiten, wenn einem Patienten ein neuer, künstlicher Femurkopf eingesetzt werden muss aufgrund eines vorangegangenen Sturzes ?"
  • Cave: Oberschenkelhalsbruch im hohen Alter => s. Fettfreisetzung aus dem Knochenmark => Emboliegefahr => Tod !
  • welches Material benutze ich: Keramik, Kunststoff, Titan, Gold, etc. ?
  • welches Material absorbiert, was wird abgestoßen ?
  • besteht die Gelenkpfanne aus dem gleichen Material wie der Kopf ?
  • wo muss ich am Femur ansetzen und schneiden, um den neuen Kopf einzusetzen ?
  • wie setze ihn ein (Tiefe, Winkel, Festigkeit, Verankerungsvorrichtungen etc.) ?

besonders beachtet werden muss:
  • erfüllt das "Implantat" die gleichen Bewegungsfreiheiten wie ein natürliches Gelenk ?
  • hat der Patient das Gefühl beim Gehen ein freies, unbeschwertes Gefühl, ist das künstliches Gelenk nicht zu schwer ?
  • Lebensdauer und Beschwerdefreiheit !

Er selber will sich auf "Röntgenstrahlung" für Diagnose und Therapie spezialisieren ! Charly erzählt auch noch von einem Professor, der gesagt haben soll: "Sie müssen leider nahezu alle Grundlagen lernen und kennenlernen für die Prüfungen. Doch seien sie beruhigt, später in der Praxis dürfen sie mit gutem Gewissen auf manchen Gebieten gewisse Grundlagenbereiche zum größten Teil vergessen, da Sie sich auf ein einziges Gebiet spezialisieren müssen. Es ist also keine Schande, Dinge zu vergessen, für die man hart gelernt hat !"

In anderen Worten, wenn er sich für die Radiologie spezialisiert, wird er sicherlich lang- bis mittelfristig Kenntnisse z.B. aus der Prothetik verlieren ! Noch über ein paar andere Sachen gequatscht, danach verzieht er sich mit seinem Essen auf sein Zimmer ... so do I !

***

Fazit: wo auch immer ein dynamischer Fluss von Informationen und konstruktiven Aktionen behindert oder zerstört wird, da wird man mich auf kurz oder lang nicht mehr antreffen !

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Martin.........
Ich wuensche dir ein gesegnetes Weihnachtfest und einen guten Rutsch in neues Jahr.
Schoene Grusse aus Sydney, Australien.

Viele Gruesse.
Eddy
santo_ed@yahoo.de