Sonntag, 12. September 2010

Nach der Überführung des Firmenwagens auf dem Rückweg mit "Gewerkschafter" hat er von sich aus noch mal die überhitzte Situation vom vergangenen Freitag mit Vorarbeiter M. geklärt. In Kombination mit dem kurzen klärenden Gespräch am Samstag mit dem Vorarbeiter selber ergibt sich folgendes Bild:

Schritt 1

  • von einem Facharbeiter erwartet man, dass er einen Auftrag fachgerecht interpretiert und ausführt
  • er muss bei auftretenden Problemen und Schwierigkeiten eigenständig Problemlösungen suchen und auch eigenständig ausführen
  • das Ergebnis muss die Endabnahme bestehen
Schritt 2
  • sieht der Facharbeiter nach Abwägen und eigenem Ermessen vor oder mitten in der Arbeit, dass die ihm zur Verfügung gestellte Zeit nicht ausreicht, so muss er das auch seinem direkten Vorgesetzten (in diesem Fall dem Vorarbeiter) mitteilen
  • schafft er nach Ablauf des gebotenen Zeitraums nicht das gewünschte Ergebnis zu liefern, so muss er das ebenfall mitteilen
  • Mitteilungen, und scheinen sie noch so unbedeutend zu sein, dienen dem Informationsfluss, sie sind kein Hindernis für Prozessabläufe sondern immens wichtig für einen lückenlosen Ablauf.
Schritt 3
  • die Konfrontration mit dem Vorarbeiter kam auch deshalb zustande, weil mein handwerkliches Arbeiten + Gesellenbrief von der Hochschule/Öffentlichem Dienst stammt und nur bis zu einem gewissen Grad auf die freie Wirtschaft angewendet werden kann.
  • In der Hochschule war das Handwerk nur ein Teil eines Projekts. Die Gesamtleistung des Projekts spiegelt sich in einem wissenschaftlich-technischen Fortschritt wieder, den z.B. ein Professor seinem Arbeitgeber vorlegen kann (z.B. verbesserte Parameter, um einen Wirkstoff A aus einem inhomogenen Gemisch B zu lösen)
  • In der freien Wirtschaft aber muss der Arbeitsfortschritt anhand eines Arbeitsschrittes und am Objekt selber gemessen werden (z.B. ordentlich gelegte Leitungen auf einer Kabelbühne + Übergabe des Schiffes mit anschließender Fehlersuche und Behebung während der Jungfernfahrt).
So gesehen ist dem Gewerkschafter völlig klar, dass da zwei sehr verschiedene Ansichten aufeinander gestoßen sind. Mir rät er noch mal, die technischen Bestimmungen unserer Hauptfirma, an die wir von unsere "Leihfirma" verliehen worden sind, beim Vorarbeiter zu erfragen und zu verinnerlichen.


Im Verlaufe des Gesprächs erzählt er noch einige Dinge von seiner Firma, die andere Unternehmen beraten haben. 12 Jahre hat diese Firma bestanden bis unter Gerhard Schröder eine Ministerin (?) US-amerikanische Verhältnisse eingeführt hat, und seine Firma sang- und klanglos unterging.
  • Da gab es Konkurrenzunternehmen, die die gleiche Arbeit für 2/3 des Geldes gemacht haben, in gewissen Teilbereichen sogar besser waren.
Auf den ersten Blick scheint das in Ordnung zu sein. Auf den zweiten Blick erkennt man eine fatale Fehlentwicklung unserer Arbeitswelt.
  • Durch die Ausreizen von "Menpower" und durch das "Drücken der Löhne" gerät ein ganzes Wirtschaftssystem an seine Grenzen.
  • Es gibt keinen zeitlichen und finanziellen Puffer mehr, in der z.B. menschliche Fehler behoben werden können.
Das vorläufige Endergebnis ist im Grunde genommen ein Horrorszenario:
  • Durch eine stetig fortschreitende Entsolidarisierung in der Arbeitswelt werden Arbeitnehmer an der Schnittstelle Kosten und Löhne gegeneinander ausgespielt !
Das endgültige Ergebnis, auf das wir beim Beibehalten des Status Quo zusteuern ist der teilweise unmerkliche und geräuschlose bis hin zum lautstarken Übergang zu Chaos und Anarchie.

Interessanterweise nicht hervorgerufen durch
  • Rechts- und Linksradikale
  • islamische oder andere religiöse Extremisten
  • exzessiven Drogenkonsum
    sondern durch einen unausgesprochen Pakt zwischen Politik und Wirschaft (=nahezu deckungsgleich mit Konzernen und Großbetrieben):
    • die Zerschlagung von fundamentalen Arbeitnehmerrechten
    • das Gegeneinander Auspielen von Arbeitnehmern
    Und deshalb liebt die Wirtschaft Menschen wie Familienvater, die ihre Arbeit ordentlich und zuverlässig verrrichten aber sich nicht organisieren, um Betrug am Lohn zu verhindern und für gesundheitlich ordnungsgemäße Abläufe und Gerätschaften zu sorgen.

    • Wie viele Betriebsärzte haben damals den Kumpel unter Tage gesund und arbeitsfähig beurteilt, obwohl schon eine halbe Staublunge seine Lebensqualität erheblich geschädigt hat
    • Wie viele Schweißer bekommen keinen ordnungsgemäßen Atemschutz, obwohl die Schweißgase + Abfallprodukte immens gesundheitsschädlich sind.

    Es gibt sogar Arbeiter, die die Gewerkschaft nicht mögen oder gar misstrauen. Ich selber habe von Gewerkschaften kaum Ahnung, höre immer nur Lohnforderungserhöhung.
    • Was aber die Arbeitgeber, Vorstände und Besitzer durch die Millionen von Arbeitskräften verdienen, wird selten bis nie erwähnt !
    • Auch habe ich bisher keine Leitsätze und Empfehlungen kennengelernt, mit denen man mal zum Arbeitgeber hingehen kann und auf ihre Einhaltung pocht !
    Die Gewerkschaft muss wieder viel tun, um überhaupt noch Gewicht im Kräftespiel Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu bekommen. Besonders ihr Bild in den Medien ist völlig untergegangen. Der heutige normale Arbeitnehmer weiß doch überhaupt nicht
    • was Gewerkschaften sind, 
    • wofür sie einstehen, 
    • was ihre Mittel und Machtinstrumente sind außer dem Streik
    • wie man sie erreichen kann und wie man mit ihnen kommunizieren kann
    • was sie für einen leisten können, 
    • wie man sich selber organisiert 
    In den Gedanken der allermeisten heutigen Arbeitnehmern ist die Gewerkschaft ein Relikt aus alten vergangen Zeiten. Was für eine konkrete und wichtige Rolle sie aber in der Gesellschaft allgemein und in der Arbeitswelt im Besonderen spielt, ist nicht nur mir schleierhaft ! Die Prügel des Arbeitgebers aber spüren die allermeisten jeden Tag, wo Gesundheit und ihre finanzielle Absicherung den Bach hinuntergeht.

    Und nicht nur erst im Alter erfahren die allermeisten Arbeiter, wofür sie
    • ihre Gesundheit, 
    • ihre Zeit, 
    • ihre Energie 
    • ihren guten Willen 
    eingesetzt und geopfert haben. Sie haben förmlich ihr Leben eingesetzt, damit prozentual gesehen, es einigen Wenigen immer besser geht !

    Bravo, du braver Arbeiter, du hast den Sinn deines Lebens vollends erkannt !

    ***


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