Freitag, 26. Dezember 2014

" Der Tod ist immer teurer geworden " (Reimer Gronemeyer)

 entnommen aus

Süddeutsche Zeitung,

Freitag, 19. Dezembert 2014

Interview: Melanie Ahlenmeier und Hannah Wilhelm

Der Soziologe Reimer Gronemeyer erklärt, warum unsere Gesellschaft das Sterben industrialisiert und nun jeder für sich selber einen guten Abgang sorgen muss.

 Zitat:

Reimer Gronemeyer. 72, müsste nichts mehr tun. Außer vielleicht in Würde altern, sagt er und lacht. Denn das möche er auf keinen Fall. Stattdessen ist der Professor der Soziologie wieder einmal um fünf Uhr morgens aufgestanden und zum Interview eingeflogen. Weil er es nicht lassen kann. Er schreibt und arbeitet - zum Thema Alter und Gesellschaft vor allem. Zeit für ein Gespräch.

SZ: Herr Gronemeyer, reden wir über Geld. Was kostet der Tod heutzutage ?
  • Reiner Gromeyer: Der Tod ist immer teurer geworden. Die Krankenkassen sagen, dass der letzte Lebensabschnitt mittlerweile oft 80 Prozent der gesamten Lebens-Krankenauskosten fordert. Die Intensivstation ist vermutlich der teuerste Ort der Welt.
Und ? Richtig oder falsch ?
  • Es klingt erst mal toll, dass unsere Geld-Gesellschaft noch mal ordentlich etwas ausgibt für die letzten Meter. Gleichzeitig haben wir doch alle das Gefühl, dass Geld nicht das ist, was wir am Ende am dringensten brauchen. 80 Prozent der Menschen sterben heute in Einrichtungen, in Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Daraufhibn ist die Hospizbewegung entstanden, die gesagt hat, wir brauchen da dringend was anderes. Und nun entsteht da ein palliativer Apparat, der immer perfekter funktioniert. Ich finde, das geht zu weit. Das ist eine Industrialisierung des Sterbens.
Die Palliativ-Stationen sind doch ein Ausdruck von großer Menschlichkeit im Vergleich zu Intensivstationen.
Natürlich. Einerseits ist vieles gut und richtig, was da passiert, in einer Gesellschaft, in der es immer mehr Alte und Sterbende und Pflegebedürftige gibt. Es ist wichtig, dass es da eine gesellschaftliche Antwort. Es besteht aber die Gefahr, dass das Lebensende von bezahlten Dienstleistungen überwuchert wird.
(Notiz: ... die letztendlich auch zuerst Ärzte und einen Pflegedienst ihrer Wahl "auf dem Arbeitsmarkt" anheuern, und erst dann ihr Geschäftsmodell durchziehen können ...)
  • Zehn Jahre weiter und Sie werden gefragt werden: Wollen Sie eine hospiziliche Begleitung oder eine gut organisierte Beihilfe zum Suizid. So wie man im Supermarkt vor der Käsetheke steht, kann man sich dann in Zukunft den selbstgemachten Tod aussuchen.
Ist es nicht eine große Errungenschaft, dass wir nun selbst entscheiden können ?
  • Früher war alles vorbestimmt. Der Beruf, die Ehepartner, der Wohnort. In meiner Generation haben wir uns dann befreit. Es wurde als Freiheit empfunden, alles selbst entscheiden zu können. Wir sind rausgegangen aus den Familienbanden
Das hat aber zu einer enormen Unsicherheit geführt:
  • Habe ich micht richtig entschieden ?
  • Habe ich etwas verpasst ?
  • Wäre nicht ein anderer Partner besser für mich gewesen ? 
Und nun wird auch das Sterben hornbachisiert.

http://www.ldpcom.de/wp-content/uploads/2013/02/marktforschung.png

Bitte ?
  • Do it yourself. Wir sind für alles selbst verantwortlich. Jetzt auch noch für unser Sterben.
Was wäre Ihnen denn lieber ?
  • Mir geht es erst mal darum, dass sich da etwas dramatisch ändert. Und dass die Gefahr einer letzten Trostlosigkeit und Belastung mit sich bringt. Denn ich bin jetzt auch noch für mein Sterben selbst verantwortlich. Dieses selbstbestimmte Leben hat die Schattenseite, dass uns auch nichts abgenommen wird.
Sterben wir trostlos ?
  • So trostlos wie nie zuvor. Es gibt ja keine Tröstung mehr. Keine Religion, stattdessen der Zwang, auch das Sterben noch möglichst gut hinzukriegen. Und die Gesellschaft instutionalisiert das hohe Alter. Es wird hinter Fassaden von schicken Altenheimen verbannt. Professionelle Versorgung und Auslagerung des Alters. Meine afrikanischen Freunde halten das für seltsam.
 Aber was ist die Alternative ?
  • Wir brauchen so was wie eine wiedererwärmte Gesellschaft, in der Freundschaftsstrukturen länger als bisher unterstützenden Charakter haben. Freunde, die sich gegenseitig um sich kümmern, statt professioneller  Dienstleister zu beschäftigen. Das ist menschlicher. Und außerdem ist es günstiger, und irgendwann die Frage stellen, wie lange das noch finanzierbar ist.
http://www.geropert.de/wp-content/uploads/2011/01/Anzahl-Pflegedienste.jpg 
geropert.de
  • (Notiz: ...wir brauchen beides, den Freundeskreis und die professionellen Dienstleister - wie anders lässt sich diese gewaltige Aufgabe lösen, wenn ein flächendeckender "humaner Generationenvertrag" zustande kommen soll ?! ...)
Das ist etwas, was der Einzelne anstoßen muss, nichts wofür die Politik oder die Gesellschaft Verantwortung tragen muss.
  • Ich habe mal in einem Gießener Stadtteil gewohnt. Jede Familie in einem Einfamilienhaus. Heute sind die Kinder weg und der Partner im Zweifelsfalle auch. Da sitzt in jedem Haus ein Rentner oder eine Rentnerin. Da kann man ein Dach drüber machen und das ganze Viertel Altenheim nennen. Eigentlich müssten die zusammenziehen. aber die Baustruktur ist auf die Kleinfamilie angelegt. Da braucht es eine mutige Entbürokratisierung. Man sollte umbauen dürfen.

Geschichte und Entwicklungslinien zur Sozialen Arbeit

Die möchten doch vielleicht in ihrem eigenen Haus sitzen bleiben.
  • Sicher ist das sozial schwierig, weil wir gelernt haben, Individuen zu sein. Wir haben den Gemeinschaftssinn verloren. Wir haben wenig Erfahrung mit solchen neuen Modellen. Aber sie werden in Zukunft wichtig werden.
Wie soll der Mensch das schaffen ? Das ist die völlige Umkehr von dem, was wir gelernt haben.
  • Wir sind in einer sehr radikalen Weise Individuen. Im Alter hat das den Nachteil, dass viele schlichtweg alleine sind. Alt sein heißt alleine sein. Und das will niemand.
Dabei geht es dieser Generation doch gut. Geld haben die heutigen Rentner.
  • Ja, aber: Wir wissen doch, dass Menschen in armen Gemeinden oft besser füreinander da sind. Dass die Gemeinschaft da oft besser funktioniert. Das soll jetzt nicht heißen: arm aber glücklich. Aber das Vermögen steht manchem im Weg.
Weil er theoretisch das Geld hat, alleine zu leben.
  • Genau. Das hält ihn davon ab, sich nach vielleicht besseren Alternativen umzusehen. Wir  brauchen einen gesellschaftlichen Umbruch, der aus der Einsamkeit der Menschen entsteht. Ich finde das hoffnungsvoll.
Unsere Generation wird alleine da sitzen und kein Geld haben.
  • Sicher, für meine Generation ging es immer nur aufwärts. Es fing an im Bombenkeller mit traumatischen Erfahrungen. Und dann haben wir nach und nach immer mehr besser verdient und mehr Quadratmeter bewohnt und sind immer mehr gereist. Die nächsten Generationen werden das so nicht haben. Es gibt aber auch die Möglichkeit, darin eine Chance zu sehen. Die nächsten Generationen werden keine andere Möglichkeit mehr haben als nach Neuem zu suchen zu suchen. Mit 500 Euro Rente im Monat wird man andere Wege suchen müssen.
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(... so, so, so: da liegt also ein Port unterhalb der Subclavia für evtl. Infusiongabe von isotonischer Flüssigkeit ... und was ist ? da darf nicht der normale Pflegedienst wie die Diakonie ran ... es ist, als ob es das Eigentum von Vereinigungen wie "Homecare" wäre, und nur sie im Rahmen der Palliativversorgung gesetzlich erlaubt wären, dieses zu nutzen ...
  • in was für einen Schwachsinn bin ich da als pflegender Angehöriger geraten ?
  • => ich bin fertig mit den privaten Krankenkenkassen, Politikern und Konsortien im Gesundheitssystem, die nicht wollen, dass die einzelnen Schnittstellen kompatibel miteinander gestaltet werden ...
Wie schon mein "twin" sagt: da muss jeder Einzelner erst einen Leidensweg durchmachen, um zu verstehen, was schief läuft ... die einzigen, die in diesem System ihren Mann stehen und glaubwürdig sind, sind die Gesundheits- und Rettungskräfte, die an der Basis vor Ort wirken ...)

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