Dienstag, 5. Januar 2016

Wachkoma und Bewusstsein

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bz-berlin.de

Appalisches Syndrom

 ICD-10

 Zitat:

[...]

Das apallische Syndrom ist ein Krankheitsbild in der Neurologie, das durch schwerste Schädigung des Gehirns hervorgerufen wird. 
  • Dabei kommt es zu einem funktionellen Ausfall der gesamten Großhirnfunktion oder größerer Teile, während Funktionen von Zwischenhirn, Hirnstamm und Rückenmark erhalten bleiben. 
Dadurch wirken die Betroffenen wach, haben aber aller Wahrscheinlichkeit nach kein Bewusstsein und nur sehr begrenzte Möglichkeiten der Kommunikation (z. B. durch Konzepte wie die Basale Stimulation) mit ihrer Umwelt. 
  • In Deutschland wird von wenigstens 10.000 Betroffenen ausgegangen - bei pro Jahr mindestens 1000 neuen Patienten.[1]
Weitgehende Synonyme sind Wachkoma (lat. Coma vigile) und Lucid Stupor.

[...]



gesundheit.de

Zitat:

Beim Wachkoma oder apallischen Syndrom kann die betroffene Person nicht essen, nicht trinken und kaum bis gar nicht kommunizieren
  • Dennoch schlafen sie und manche reagieren auch auf Reize.
  • Doch viele erwachen niemals ganz aus ihrem Dämmerschlaf
Die Augen geöffnet, die Mimik erstarrt in einer Mischung aus Erstaunen und Desinteresse, nicht fähig, sich zu bewegen oder irgendwie Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen: 
  • Patienten im Wachkoma sind weniger als der Schatten ihrer selbst. 
  • "Apallisches Syndrom" nennen Mediziner diesen Zustand zwischen der tiefen Bewusstlosigkeit (Koma) und dem bewussten Wachsein, wie Gesunde es erleben. 
Etwa 3000 bis 5000 Menschen fallen in Deutschland jedes Jahr in ein Wachkoma. 
  • Einigen gelingt es, sich wieder in die Welt der Wachen zurück zu kämpfen. 
  • Schätzungsweise 12.000 dämmern dauerhaft vor sich hin.
[...]

Tracheostoma 

http://www.haeuslicheintensivpflege-mogli.de/assets/images/abb202.gif
haeuslicheintensivpflege-mogli.de

 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/thumb/8/8c/Trachealkanuele.jpg/250px-Trachealkanuele.jpg
Viele Mediziner verwahren sich gegen den Begriff "Wachkoma", da er ein Widerspruch in sich ist. 
  • Das Wort Koma stammt aus dem Griechischen und bedeutet tiefe Ohnmacht
"Minimally conscious state": 
  • Der Zustand des minimal möglichen Bewusstseins - der englische Sprachbegriff - erscheint zutreffender. 
Denn viele Patienten mit dem Krankheitsbild des apallischen Syndroms reagieren auf Reize ihrer Umwelt. 

[...]
 
 http://diepresse.com/images/uploads/5/4/7/378183/KOMA20080420183032.jpg
diepresse.com

 Zitat:

20.04.2008

Patienten im Wachkoma dürften wesentlich mehr verstehen als man ihnen bisher zugetraut hat. Das erfordert einen Paradigmenwechsel in der Behandlung

Eine echte Sensation, die einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von Wachkoma-Patienten nach sich ziehen muss“, sagt Univ.-Prof. Dr. Walter Oder vom AUVA-Rehabilitationszentrum Meidling.
Die Sensation: 
  • Mittels High-Tech-Medizin konnte eine belgische Forschergruppe beweisen, dass einige Wachkoma-Patienten ein gewisses Sprachverständnis haben.
Das bisherige Dogma indes lautete: 
  • Solchen Kranken fehlt es am Bewusstsein ihrer selbst, es fehlt auch jegliche Interaktion zur Außenwelt. 
  • (Notiz: ... Teilaussage II ist nachvollziehbar, wenn durch den Ausfall wichtiger Hirnareale ausfallen, auch die motorischen + Spracheinheiten davon betroffen sind, die für die verbale Kommunikation vonnöten sind ... Teilaussage I allerdings ist sehr fragwürdig, wenn nicht vorher eine allgemeine Definition getroffen wurde, was Bewusstsein überhaupt bedeutet ... berücksichtigt man die neuronale Plastizität, so besteht selbst bei Ausfall "ganzer Hirnareale" die Chance, der Anpassung des Hirns im Zuge von Veränderungen und Ausfällen ...)
 [...]




Spricht man mit einem Wachkoma-Patienten, gibt es genau in den Gehirnarealen, wo üblicherweise das Sprachverständnis liegt, vermehrte Aktivität.
  • Es dürfte so sein“, meint Oder, „dass der Reiz ankommt, aber der Patient nicht in der Lage ist, ihn zu verarbeiten. Minimale Bewusstseinsvorgänge aber dürften vorhanden sein.“ 
In jedem Fall, so Oder, müssen diese Erkenntnisse einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von Patienten mit dem sogenannten apallischen Syndrom nach sich ziehen. 
  • „Wir müssen uns gegenüber diesen Menschen so verhalten als ob sie uns verstehen würden.“ 
Denn man wisse ja nicht hundertprozentig, was ein Wachkoma-Patient wirklich mitbekommt.

[...]

Relativ schwierig ist auch die Prognose, ob ein Mensch jemals wieder aus dem Wachkoma erwacht. 
  • Überraschende Einzelfälle gibt es immer wieder, wie etwa einen 65-jährigen Polen, der im Vorjahr nach 19-jährigem Koma – entgegen allen ärztlichen Prognosen – wieder erwacht ist und wieder gehen und sprechen konnte.
  • Anfang 2005 hatte eine 36-jährige US-Amerikanerin wieder zu sprechen begonnen, nachdem sie 20 Jahre stumm im Wachkoma gelegen war.
  • Vor knapp fünf Jahren war ebenfalls in den USA ein 40-Jähriger nach 19 Jahren aus dem Koma aufgewacht.
  • (Notiz: ... hier wird nicht erwähnt, wieviel Aufwand Verwandte, Betreuer und/oder Pflegepersonal betreiben mussten, um durch spezielle Maßnahmen und geduldige Zuwendung die wechselseitige Kommunikation wieder fördern konnten ...)
„Die Prognose hängt auch davon ab, welche Schädigung zu Grunde liegt“, so Oder
  • Nach einem Schädel-Hirn-Trauma gäbe es prinzipiell bessere Chancen als nach einem Sauerstoffmangel des Gehirns in Folge eines Herzstillstandes oder Operation-Zwischenfalles.
  • „Bei ganz massivem Sauerstoffmangel geht der Cortex, der Hirnmantel, zu Grunde, der kann sich dann kaum mehr erholen“, weiß Oder. 
Bei Verletzungen sei häufig die Verbindung des Hirnmantels zum Hirnstamm „nur“ unterbrochen und nicht völlig zerstört.
  • „Da kann Neuro-Rehabilitation die Regeneration sehr gut fördern.“



 Koma und Wachkoma durch schwerste Hirnverletzung

entnommen aus:

Novum, Neues aus Kliniken Schmieder, Ausgabe 3

 "Frau Ilg, Sie sind ein Wunder"

Zitat:


Nach einem schweren Motorradunfall führte die Rehabilitation Yvonne Ilg zurück in ein aktives Leben.

Ein sonniger Samstag im August: Yvonne Ilg, 25, genießt mit ihrem Freund Falko eine herrliche Motorradtour auf die Schwäbische Alb. Auf dem Rückweg stürtzt Yvonne plötzlich beim Beschleunigen nach einer Kurve und prallt mit 50km/h in die Leitplanke. Ein Hubschrauber ist in wenigen Minuten zur Stelle - zu ihrem Glück. 20 intensive Operationsstunden folgten. Insgesamt kämpften die Ärzte 60 Tage um ihr Leben. Dort muss sie alle körperlichen Funktionen neu erlernen: Atmen, Essen, Greifen, Gehen, Sprechen. So bitter Yvonne Ilgs Unfall war, so erfolgreich waren Rettungskette, Akutbehandlung und Rehabilitation.

 Gesprächsprotokoll

" Ich wollte unbedingt nochmal die Seeburger Steige fahren, eine tolle kurvenreiche Strecke. Ich beschleunigte nach einer 90-Grad-Kurve, stürzte unglücklich und prallte in die Leitplanke. Leider hatte diese keinen "Unterfahrerschutz", weswegen ich unter sie rutschte und am Pfosten hängenblieb. Ich bekam keine Luft mehr und unendliche Schmerzen. Alle 24 Rippen waren gebrochen, eine große Arterie abgerissen, alle Organe geschockt. Nichts ging mehr.

Falko hat mir später erzählt, ich sei in seinen Armen gestorben. Und dann kam uns das Glück zur Hilfe: Kurz zuvor hatte Falko einen Kurs im Erster Hilfe absolviert, und so konnte er mich an der Unfallstelle reanimieren. Mittlerweile war der Notarztwagen eingetroffen und wenige Minuten später auch der Hubschrauber. Es folgten 20 Stunden Notoperationen in denen zwei Ärzteteams parallel an meinem Körper arbeiteten. 60 Tage war ich ohne Bewusstein, ich überstand 14 weitere Operationen, die Ärzte kämpften jeden Tag um mein Leben.

Dann am Tag 68 die Verlegung im wachkomatösen Zustand in die Rehabilitation nach Gerlingen. Hier kam ich langsam zu Bewusstsein. Mein Freund war jeden Tag viele Stunden bei mir. Er wusste, ich war eine risikobehaftete, bettlägerige Intensivpatientin, die einen weiten Weg vor sich hatte. Die ersten Wochen ging kaum etwas voran. Ich weinte sehr viel, war verzweifelt und fühlte mich gefangen in meinem Körper

Ich konnte nur die Augen bewegen. Es war, als ob mein Gehirn gelöscht worden war. Mich gegenüber meinem Freund und dem Behandlungsteam verständlich zu machen, war ein großes Problem. Zunächst war das nur über die Augen möglich. In der Logopädie lernte ich dann, meine Bedürfnisse mittels Bildkarten auszudrücken. Das war ein gutes Gefühl, erst recht als ich wieder schreiben und mit Hilfe meiner Logopädin erste Laute formulieren konnte.

Im neuen Jahr nahm die Besserung plötzlich Fahrt auf: Im Januar merkte ich deutliche Fortschritte auch geistiger-seelischer Natur. Ich konnte wieder adäquat reagieren und besser an meinen täglichen Therapien mitarbeiten. Ein Meilenstein waren meine ersten Stehversuche im Februar, mit Hilfe meiner Physiotherapeutin natürlich. Und so ging es Schlag auf Schlag. Lauftraining, Treppentraining - meine Therapeuten forderten mich täglich vielfach. 

Im Mai bin ich über die Station gejagt. Zu Überraschung aller, denn die meisten Mediziner hatten mich lebenslangem Pflegefall gesehen. Der Chefarzt nahm mich in den Arm und sagte: Frau Illg, Sie sind ein Wunder, Sie sind die Erste, die aus der Klinik hinausgejoggt".

Am 17. Juni 2014 war dann die herbeigesehnte Entlassung. Seither habe jede Woche Logo, Physio und Ergo, um die Beweglichkeit im rechten noch zu steigern. Mein Freund versteht mich gut, auch andere geübte Zuhörer. Mein Wunsch ist, wieder besser sprechen zu lernen, damit ich wieder in meinem Beruf als Verwaltungsfachangestellte arbeiten kann. Das ist mein nächstes Ziel."

Bei schweren Motorradunfällen kommt es neben Knochenbrüchen an Armen und Beinen nicht selten zu schweren Verletzungen von Rippen und Lungen, von inneren Organen im Bauchraum und zu Gehirnverletzungen mit Hirnquetschungen, Hirnblutungen und Hirnschwellungen. Bereits am Unfallort fallen die Betroffenen in eine tiefe Bewusstlosigkeit, die man Koma nennt. 

Nach lebensrettenden Operationen im Akutkrankenhaus und Behandlung auf der Intensivstation werden die Patienten auf einer neurologischen Frührehabilitationsstation weiter betreut. Dort beginnt der lange Weg zurück ins Leben häufig in einem Wachzustand des Wachkomas
  • Der Patient kann wie im Koma noch keinen Kontakt zur Umwelt aufnehmen, zeigt aber schon einen zurückgekehrten Schlaf-Wach-Rhythmus mit zeitweise geöffneten Augen.
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